Syndikat: Katalog 3, Frühjahr 1979


 

Bronislaw Malinowski

Schriften in vier Bänden

Herausgegeben von Fritz Kramer

 

Im April 1979 erscheint:

Band 1: Argonauten des westlichen Pazifik

Aus dem Englischen von Heinrich Ludwig Herdt

 

Syndikat

Etwa 520 S.65 Abb. u. 5. Karten.

Im Herbst 1979 soll der zweite Band Das Geschlechtsleben der Wilden erscheinen.

Die weiteren Bände - Korallengärten und ihre Magie sowie Aus den Tagebüchern und Aufsätzen werden in Jahresabständen folgen.

 

 

Bronislaw Malinowski (1884 - 1942) beginnt neu entdeckt zu werden: nicht eigentlich mehr als Anwalt einer (funktionalistischen) Methode, sondern als großer ethnographischer Schriftsteller. Er selbst hat von sich gesagt, er würde einmal der Joseph Conrad der Anthropologie sein, und nirgendwo in seinen Arbeiten liegt diese Assoziation näher als bei seinem Hauptwerk, der Trilogie über die Trobriander, von der wir hier zunächst den ersten Band vorlegen. Im Mittelpunkt von Malinowskis auch literarisch faszinierender Schilderung steht das »Kula«, der Ringtausch von teils nützlichen, vor allem aber magisch-rituell bedeutsamen Gütern, die in einem komplexen System von Gegenseitigkeits- und Freundlichkeitsökonomie zwischen den verschiedenen Inselgruppen zirkulieren. Hierbei unternehmen die Trobriander und ihre Nachbarn große, magisch und nautisch sorgfältig vorbereitete Übersee-Expeditionen, die, wie die Seefahrt der Argonauten in der griechischen Sage, von einer Mythologie aus Gefahren und harten Prüfungen, aus Seeungeheuern und Stürmen, aus Schiffbruch und wohlbehaltener Ankunft umgeben sind.

"Die Dunkelheit, das Donnern der am Riff sich brechenden Brandung, das trockene Rascheln der Pandanusblätter im Wind, all das erzeugt eine Geistesverfassung, in der es leicht fällt, an die Gefahren der Hexen und an all die für gewöhnlich verborgenen Wesen zu glauben, die in einem besonderen Augenblick des Entsetzens sogleich hervorkriechen können. Wenn man die Eingeborenen bei einer solchen Gelegenheit dazu bringt, über diese Dinge zu sprechen, so ist der Wandel im Tonfall gegenüber der ruhigen, oftmals rationalen Art, in der sie bei hellem Tageslicht im Zelt eines Ethnographen darüber reden, unverkennbar. Einige der überraschendsten Enthüllungen über diese Seite des Glaubens und der Psychologie der Eingeborenen sind mir bei solchen Gelegenheiten zuteil geworden. An einem einsamen Strand auf Sanaroa sitzend, umgeben von einer Gruppe Trobriander, Dobu und einigen Ortsansässigen, hörte ich zum ersten Mal die Geschichte von den springenden Steinen. In einer Nacht zuvor waren wir beim Versuch, auf der Höhe von Gumasila, einer der Amphlett-Inseln, vor Anker zu gehen, von einer mächtigen Bö gepackt worden, die eines unserer Segel zerriß und uns in einer dunklen Nacht bei strömendem Regen zwang, vor dem Wind zu laufen. Außer mir sahen alle Besatzungsmitglieder deutlich die fliegenden Hexen in Gestalt einer Flamme an der Mastspitze. Ob es sich hierbei um ein Elmsfeuer handelte, konnte ich nicht feststellen, denn ich lag seekrank in der Kabine, und Gefahren, Hexen, sogar ethnographische Enthüllungen waren mir gleichgültig. Angeregt durch diesen Zwischenfall erzählte mir meine Besatzung, daß dies in der Regel ein Vorzeichen für großes Unglück sei; daß ein solches Licht vor einigen Jahren auf einem Boot erschienen sei, das fast an derselben Stelle sank, an der uns die Bö erfaßt hatte; glücklicherweise wurden aber alle gerettet."

Bronislaw Malinowski, geboren 1884 in Krakau, gestorben 1942 in New York, studierte u.a. bei Wilhelm Wundt in Leipzig und bei J.G. Frazer in London. Während des Ersten Weltkrieges nahm er an einer Expedition nach Neu-Guinea und Melanesien teil. Spätere Forschungen führten ihn zu den Pueblo-Indianern und nach Afrika.

 

                      

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